Das Bundesministerium für Gesundheit hat am 18. März 2016 die Verordnung zur Anpassung der Meldepflichten nach dem Infektionsschutzgesetz an die epidemische Lage (IfSG-Meldepflicht-Anpassungsverordnung – IfSGMeldAnpV) erlassen. Diese gilt ab dem 01. Mai 2016 und setzt mit Inkrafttreten gleichzeitig die Aviäre-Influenza-Meldepflicht-Verordnung vom 11. Mai 2007 und die Labormeldepflicht-Anpassungsverordnung vom 26. Mai 2009 außer Kraft.
Die neue Verordnung erweitert in §1 die Meldepflicht in Bezug auf namentlich zu meldende Erkrankungen.
Es wird die Meldepflicht auf den Krankheitsverdacht, die Erkrankung und den Tod an zoonotischer Influenza ausgeweitet. Unter zoonotischer Influenza versteht man eine Grippeerkrankung, deren Auslöser ein Influenza-Virus ist, welches ursprünglich Tiere befällt. Es handelt sich dabei um eine Zoonose- eine vom Tier auf den Menschen übertragende Erkrankung. In diesem Zusammenhang wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Meldung diesbezüglich nur dann erfolgen muss, wenn der Krankheitsverdacht sowohl durch das klinische Bild, als auch durch den epidemiologischen Zusammenhang begründet ist. Selbstverständlich sind dabei immer die durch das RKI veröffentlichten Richtlinien zu berücksichtigen.
Außerdem wird die namentliche Meldepflicht auf Erkrankungen sowie den Tod an Clostridium-difficile-Infektionen mit klinisch schwerem Verlauf ausgedehnt. Der Gesetzgeber definiert dabei klar, was unter einem „klinisch schwerem Verlauf“ zu verstehen ist. Namentlich meldepflichtig sind Clostridium-difficile-Infektionen nur, wenn:
- der Erkrankte zur Behandlung einer außerhalb des Krankenhauses erworbenen Clostridien-Infektion in eine medizinische Einrichtung aufgenommen werden muss
- der Erkrankte wegen der Clostridien-Infektion oder damit einhergehenden Komplikationen auf die Intensivstation verlegt werden muss
- ein chirurgischer Eingriff aufgrund eines Megakolons, einer Perforation oder einer refraktären Kolitis erfolgt
- der Erkrankte innerhalb von 30 Tagen nach Diagnose der Clostridien-Infektion verstirbt, sofern diese zum Tod geführt, oder maßgeblich dazu beigetragen hat.
Des Weiteren werden in §2 der neuen Verordnung Anpassungen der Meldepflicht auf namentlich meldepflichtige Nachweise von Krankheitserregern geregelt.
Es wurden dazu weitere Keime in die Liste der den Gesundheitsämtern zu meldenden Erregernachweise aufgenommen.
Die Meldepflicht nach §7 Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes wird dort im ersten Abschnitt auf weitere Erreger ausgeweitet. Vorausgesetzt sie weisen auf eine akute Infektion hin, müssen nun auch die direkten oder indirekten Nachweise des Chikungunya-Virus, Dengue-Virus, West-Nil-Virus, Zika-Virus und sonstiger Arboviren gemeldet werden.
Im zweiten Abschnitt wird geregelt, dass auch eine Reihe von multiresistenten Erregern nach direktem Nachweis den Gesundheitsämtern zu melden sind. Ab dem 01.Mai 2016 unterliegen nun auch Methicillin-resistente Stämme des Staphylokokkus aureus (MRSA) der Meldepflicht, wenn sie im Blut oder Liquor nachgewiesen werden. Außerdem müssen der Nachweis der Infektion oder Kolonisation von Enterobacteriaceae mit Carbapenem Unempfindlichkeit den Gesundheitsämtern kommuniziert werden. Auch gilt der Nachweis einer Carbapenemase-Determinante bei diesen als meldepflichtig. Ausnahmen hierbei bilden isolierte Nichtempfindlichkeiten gegenüber Imipenem bei Proteus spp., Morganella spp., Providencia spp. und Serratia marcescens. Die Infektion oder Kolonisation mit gramnegativen Stäbchenbakterien der Gattung Acinetobacter wurden ebenfalls in den Katalog der meldepflichtigen Erregernachweise aufgenommen, wenn sie eine Nichtempfindlichkeit gegenüber Carbapenemen aufweisen oder eine Cabapenemase-Determinante nachgewiesen wurde.
Wie ist diese Modifikation der Meldepflicht nun zu bewerten? Mit dem Erlassen der Verordnung stellt sich das Bundesgesundheitsministerium im wesentlichen den immer größer werdenden Herausforderungen durch das Auftreten von neuen Multiresistenzen bei einer Reihe von Erregern. Außerdem wird der reellen Gefahr einer Epidemie durch einen Stamm der zoonotischen Influenza Rechnung getragen. Die Bundesärztekammer beispielsweise begrüßt ausdrücklich die Ausdehnung der Meldepflicht auf die zoonotische Influenza, da damit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung getragen wird, das diese Art der Influenza-Viren auch pandemisches Potential tragen. Begrüßt werden grundsätzlich auch alle weiteren Punkte. Jedoch muss die IfSG-Meldepflicht-Anpassungsverordnung auch kritisch betrachtet werden. So beklagt die Bundesärztekammer, dass die Novellierung zu einer „erheblichen Ausweitung der Pflichtaufgaben insbesondere für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGP) und die meldenden Einrichtungen sowie die Labore“ führt. Zu bewältigen ist dieser Aufwand laut Bundesärztekammer nicht ohne Kompensation, bspw. durch personelle Aufstockung der Gesundheitsämter. In diesem Zusammenhang steht natürlich auch die Frage nach ausreichender Finanzierung der Tätigkeiten der meldenden Einrichtungen und Labore im Raum. Die Bundesärztekammer forderte deshalb in ihrer Stellungnahme zum Entwurf der Verordnung schon im Februar 2016, dass die notwendigen Mittel zur Umsetzung der Regelungen zur Verfügung gestellt werden. In einem weiteren Punkt wird kritisiert, dass es keine Schutzregelungen für chronisch bzw. rezidivierend Clostridium-difficile Infizierte gibt. Es wird befürchtet, dass Kliniken von einer Behandlung dieser Patientengruppe aufgrund der Vermeidung damit einhergehender Kosten Abstand nehmen und die Patienten weiterverwiesen werden. Hier forderte die Bundesärztekammer Anfang diesen Jahres schon Handlungsbedarf im Gesetzgebungsverfahren.